Fünf Jahre Arbeit von Erfolg gekrönt

13 09 2013

Nach fünf Jahren Arbeit für eine Prignitz mit Weitblick ist es nun offiziell: Es wird keine Freileitung geben, die unsere Region belastet.

Seit am 30. Juni 2011 das „Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze“ NABeG beschlossen wurde, haben wir in vielen Anhörungen, Gremien, Konferenzen, Veranstaltungen, Briefen und Telefonaten mit den entsprechenden Stellen unsere Position immer wieder vertreten. Das ist besonders dem unermüdlichem Engagement unseres Sprechers Dr. Rainer Schneewolf zu verdanken, der ungezählte Stunden für unsere Bürgerinitiative tätig war.

Allen Unterstützenden sei an dieser Stelle unser ausdrücklicher Dank ausgesprochen.

Hier die offizielle Pressemitteilung des Netzbetreibers:

Pressemitteilung Keine Freileitung





Bürger und Kommunen für Erdverkabelung – Leserbrief MAZ 2./3.4.2011

4 04 2011

Originaltext:

Leserbrief zu

Wo der Windstrom gezähmt wird“ (MAZ v. 24.3., S. 7) und

Lange Leitungen“ (MAZ v. 24.3., S. 2)

Der Artikel über den Netzbetreiber 50Hertz Transmission und der Kommentar dazu enthalten leider gewichtige Fehler. In jeglicher Diskussion über den Netzausbau sind grundlegend zu unterscheiden: 1. Das Höchstspannungsnetz (380 kV) und 2. das Hochspannungsnetz (110 kV). Höchstspannungsleitungen sind sozusagen die Stromautobahnen für den Ferntransport, die Hochspannungsleitungen sind quasi die damit verknüpften Landes- und Kreisstraßen. Die Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen auf längeren Strecken ist noch unerprobt und  im Vergleich zu Freileitungen erheblich teurer. Die Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen ist Stand der Technik und in den ausgesprochen ländlichen Gebieten, in denen in Brandenburg neue Leitungen geplant sind, volkswirtschaftlich nicht oder wenig teurer als Freileitungen.

50Hertz Transmission betreibt ausschließlich ein Höchstspannungsnetz, Artikel wie Kommentar handeln ausschließlich davon. Gesprochen wird aber von „Hochspannungsleitungen“. Damit sind zentrale Aussagen v.a. des Kommentars unzutreffend. „Landauf, landab wehren sich Bürger gegen Hochspannungsleitungen.“ Tatsächlich wehren sie sich nur gegen Hochspannungsfreileitungen und fordern Erdverkabelung. Und es sind nicht nur die Bürger, sondern auch Städte, Gemeinden und Landkreise „Unterirdische Kabel sind vielleicht in Städten und Naturschutzgebieten eine Option.“ Sie sind nicht vielleicht eine Option, sondern liegen mit einer Länge von 6.000 km (= 8 % aller Hochspannungsleitungen in Deutschland) bereits unter der Erde. „Überall sonst machen sie den sauberen Strom unnötig teuer.“ Sie dorthin zu legen, ist nicht unnötig, sondern zum Abtransport des Stroms aus Gebieten, die durch Windkraftanlagen schon hoch belastet sind, aus Gründen der Sozial- und Landschaftsverträglichkeit dringend notwendig.

Wie teuer aber würde der Strom durch Erdverkabelung? 1.000 km neue Hochspannungsfreileitung bedeuten lt. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Links-Fraktion vom Herbst letzten Jahres „eine Netzentgeltsteigerung für Haushaltskunden von 0,1 bis 0,2 %“. Das bedeutet, wenn man Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft zu den Anteilen des Netzentgelts am Strompreis und des Strompreises an der Stromrechnung heranzieht: 1.000 km Hochspannungsfreileitung erhöhen die jährliche Stromrechnung eines Dreipersonen-Musterhaushalts um 0,12 bis 0,23 € pro Jahr. Eine Erdverkabelung würde diesen Betrag um irgendetwas zwischen 0 und 100 % erhöhen. Nach diesen Zahlen macht es wirklich keinen Sinn, von einer unnötigen Stromverteuerung zu sprechen.

Dr. Rainer Schneewolf

Bürgerinitiative ‚Hochspannung tief legen’

Plattenburg (Prignitz)

 

Hier ist der Leserbrief online abzurufen





Offener Brief an Ministerpräsident Platzeck

3 04 2011

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

am 17. März erschien in den Potsdamer Neuesten Nachrichten ein Interview mit Ihnen zum Thema Energie in Brandenburg vor dem Hintergrund des GAU in Japan. Auf die Frage, ob Proteste gegen Windparks, Solarparks, Biomasse-Kraftwerke, die es schon jetzt überall gebe, Sie beunruhigten, antworteten Sie:

„Dieser Trend macht mir Sorgen. Ich erlebe es Abend für Abend bei Versammlungen, wie sich alle einig sind: Atomenergie? Nein Danke! Kohle? Zu schmutzig, höchste Vorsicht wegen CO2! Windräder? Haben wir schon genug! Biogasanlagen? Nur im Nachbardorf! Und schon gar keine neuen Stromleitungen! Das ist nicht nur ein Brandenburger Phänomen. Dieses Verhalten gefährdet den Industriestandort Deutschland.“

Wir wollen hier nur auf die Stromleitungen eingehen, von denen Sie zwei Antworten später noch einmal feststellen: „Und auch der ökologischste Strom muss irgendwann seinen Weg in die Steckdose finden. Dazu brauchen wir neue Trassen.“

Wir wissen nicht, von welcher Art von Versammlungen Sie immer wieder die Botschaft mit nach Hause nehmen, dass neue Stromleitungen abgelehnt werden. Wir kennen – mit der Materie engstens befasst – keine relevanten Stimmen dieser Art.

Wir beschränken uns hier auf die Ebene der Hochspannungs- (= 110-kV-)leitungen. Geplant sind solche gegenwärtig in den Kreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Märkisch-Oderland und Teltow-Fläming (auf neuen Trassen) sowie in Potsdam (Neubau auf alter Trasse). Die Forderungen von regionalen und lokalen Politikern und Bürgern waren und sind bei den neuen Trassen: 1. Eine nachvollziehbare, mit ausführlichen Daten untersetzte Begründung, warum die Leitung notwendig ist (denn eine solche ersparen sich die Netzbetreiber weitestgehend, und die Raumordnungsbehörde verlangt ihnen auch nicht mehr ab), und 2. bei nachgewiesener Notwendigkeit die Erdverkabelung der geplanten Leitung.

Also nicht: keine Leitung, sondern: wenn eine Leitung nötig ist, dann Erdkabelleitung. Und in Potsdam: Nutzung des geplanten Neubaus der Leitung, die bei zwei Dutzend Häu¬sern die Grenzwerte der Brandenburgischen Abstandsleitlinie von 1995 unterschreitet, um sie aus der unmittelbaren Nähe der Wohnbebauung wegzuverlegen.

Diese Forderungen müssten Ihnen bekannt sein. Im Kreis Prignitz stellten sich schon Anfang 2009 sowohl der Kreistag (einstimmig) als auch mehrere Gemeindevertretungen (einstimmig) hinter die Forderung an den Bundestag, im Energieleitungsausbaugesetz eine grundsätzliche Erdverkabelung von 110-kV-Leitungen zu ermöglichen. Die beiden Bürgerinitiativen aus West-/Ostprignitz und Märkisch-Oderland wandten sich mehrfach an die Landesregierung mit der Forderung nach einer Erdverkabelung der bei ihnen geplanten Leitungen. Bei der Anhörung zum Erdkabelgesetz-Entwurf am 9.2.2011 im Wirtschaftsausschuss des Landtags wurde von den Bürgerinitiativenvertretern die Ermöglichung der Vollverkabelung für alle neuen 110-kV-Leitungen sowie eine Teilverkabelung in sensiblen Gebieten für die 380-kV-Uckermarkleitung gefordert. Mitte Februar gab es einen Termin bei Herrn Minister Christoffers, bei dem eine Delegation aus West- und Ost¬prignitz, bestehend aus einem Landrat, einem stellvertretenden Landrat, zwei Bürgermeistern und einem Vertreter der Bürgerinitiative eine Erdverkabelung neuer 110-kV-Leitungen forderte. Der Landkreis Teltow-Fläming und mehrere Gemeinden fordern für neue 110-kV-Leitungen Vollverkabelung. Die Stadt Rathenow und die Ämter zwischen Rathenow und Neustadt (Dosse) fordern für eine geplante 110-kV-Leitung der Bahn Erdverkabelung. Nirgendwo heißt es „keine neuen Trassen“! Warum also die diskriminierende Behauptung „Und schon gar keine neuen Stromleitungen!“?

Auf die Frage, ob die Menschen zu technikfeindlich seien, antworteten Sie: „ … Zu viele scheinen den Blick verloren zu haben, was die Basis unseres hart erarbeiteten Wohlstands ist. … Die Antwort lautet: Deutschland ist Wohlstandsland, weil es Industrieland ist.“ Stellt eine Erdverkabelung der – nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums – mindestens noch 1.000 km zu bauenden 110-kV-Leitungen eine De-Industrialisierung Brandenburgs dar, weil man die Leitungen dann nicht als Ausweis unserer Wohlstandsgrundlagen sieht? Ist es im Gegenteil nicht weitaus technik- und innovationsfeindlicher, wenn an einer das Land belastenden Technik von gestern noch für weitere 100 Jahre festgehalten wird, nur weil die Netzbetreiber dies so wünschen und die Politik nicht die Kraft aufbringt, ihnen die raumverträglichere Technik der Erdverkabelung vorzuschreiben, von der auch Bundeswirtschaftsministerium und Netzbetreiber sagen, dass sie völlig hinreichend erprobt ist? Die Kosten für den Endverbraucher, so das Bundeswirtschaftsministerium, wären gering bis minimal.

Und dann mahnen Sie die – in Ihren Augen offenbar mangelhaft ausgeprägte – Mitverantwortung der Bürger an: „Das Publikum ist aufgeklärter, Menschen lassen sich nicht mehr alles gefallen, wunderbar. Aber ich sage auch: Wo Beteiligung gewünscht wird, ist Mitverantwortung fürs Ganze nötig. Das Sankt-Florians-Prinzip hilft Deutschland nicht.“ Folgt eine Erdverkabelung dem Sankt-Florians-Prinzip? Wo sie selbst nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums die geringeren Schäden und Belastungen bedeutet? Andersherum: wo ist die Mitverantwortung der Netzbetreiber, die sich dagegen sträuben? Sie führen mangelnde Versorgungssicherheit an und wissen selbst, dass es bei den 110-kV-Leitungen nicht um die Versorgung Brandenburgs, sondern um das Abführen von Stromüberschuss, also Entsorgung geht. Und dass diese durch Erdkabel genauso gewährleistet ist wie durch Freileitungen.

Ist es mangelnde Mitverantwortung, wenn eine Brandenburger Bürgerinitiative im Rahmen des vom Bundesumweltministerium geförderten „Forums Netzintegration Erneuerbare Energien“ in zahlreichen Sitzungen an der Erstellung des „Plans N“ für einen schnellen, aber gleichermaßen sozial- und umweltverträglichen deutschlandweiten Netzausbau mitgearbeitet hat? Wenn sie sich an einer Arbeitsgruppe „Info- und Dialogoffensive Akzeptanz Netzausbau“ des Bundeswirtschaftsministeriums beteiligt?

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Wir möchten Sie bitten, Ihre Sorge um den Industriestandort Deutschland mit in ein Brandenburgisches Erdkabelgesetz einzubringen, das für neue 110-kV-Leitungen eine Voll-Erdverkabelung zum Regelfall macht – keine Teilverkabelungen, denn diese sind schon jetzt in Bereichen möglich, die als besonders sensibel gelten. Doch ganz Brandenburg ist ein sensibler Be¬reich!

Zuallerletzt: Wir möchten Sie, als Ergänzung zu den von Ihnen im Interview angeführten abendlichen Versammlungen, einladen zum „Forum Brandenburg mit Weitblick – Hochspannung unter die Erde!“, das wir am 4. April um 19 Uhr im Haus der Natur in Potsdam veranstalten! Das Forum ist geplant als Zusammenkunft von Bürgern und politischen Entscheidungsträgern aus allen Regionen in Brandenburg, die von geplanten 110-kV-Leitungen betroffen sind. Es soll dem Erfahrungs- und Informationsaustausch dienen und – in Mitverantwortung fürs Ganze – Forderungen an die Politik artikulieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Rainer Schneewolf

im Auftrag der drei Bürgerinitiativen

BI Hochspannung tief legen

BI Keine Freileitung Neuenhagen-Letschin

BI Marquart Freileitung raus!

Offener Brief an MP Platzeck als pdf

Das Zeitungsinterview der Potsdamer Neuesten Nachrichten vom 16.03.2011, auf den sich der offene Brief bezieht, erschien am 17.03.2011 auch im Tagesspiegel:

Hier der Vergleich beider Veröffentlichungen als pdf-Datei.





Lesenswert: Unsere Stellungnahme im Wortlaut

12 02 2011

Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft des Landtags Brandenburg zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP

„Gesetz über Hoch- und Höchstspannungsleitungen in der Erde

(Brandenburgisches Erdkabelgesetz – ErdkGBbg)“ – Drucksache 5/1887

Umfangreiche Hintergrundinformationen und Grafiken finden Sie in der Stellungnahme der Bürgerinitiative (pdf  1,4MB)





Beschluss vom 5. August 2010

6 08 2010

Die Bürgerinitiative ‚Hochspannung tief legen’ arbeitet seit Mai 2008 dafür, die von E.ON edis geplante Hochspannungsleitung Perleberg – Gantikow (Gem. Kyritz) – Wittstock als Frei­leitung zu ver­hin­dern. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit Bundes- und Landesgesetz­gebung sowie der behördlichen Praxis in den Genehmigungsverfahren neu­er Hochspannungsleitungen hat sie am 5. August 2010 folgenden Beschluss gefasst:

  • Sie fordert die Bundesregierung und die brandenburgische Landesregierung auf,
  1. die vollständige Erdverkabelung der geplanten Hochspannungsleitung Perleberg – Gantikow – Wittstock (‚Prignitzleitung’), ggf. als Pilotprojekt, rechtzeitig vor einem Planfeststellungsverfahren zu er­möglichen,
  2. darüber hinaus durch Bundes- und Landesgesetzgebung schnellstmöglich eine grund­sätz­li­che Erd­verkabelung von Hochspannungsleitungen zu ermöglichen.
  • Sie fordert die Kreistage und Gemeinden der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin auf, jeden durch sie ver­hinderbaren Zubau von Windkraftanlagen, Photo­vol­taik­anlagen in der Fläche sowie anderen Großanlagen zur Stromerzeugung so lange zu verhindern, wie nicht verbindlich gesichert ist, dass neu zu bauende Hoch­span­nungs­lei­tun­gen in den Land­kreisen Prignitz und Ost­prig­nitz-Ruppin, einschließlich der geplanten ‚Prig­nitzleitung’, voll­ständig erdverkabelt werden.
  • Sie fordert die Kreistage und Gemeinden aller Stadt- und Landkreise in Bran­den­burg auf, gleichfalls eine gesicherte grundsätzliche Erdverkabelung von neuen Hoch­span­nungsleitungen zur Voraussetzung für die Ermöglichung neuer energie­pro­du­zie­ren­der Großanlagen zu machen.
  • Sie sieht sich zu diesem Schritt gezwungen, um den Druck auf Bundes- und Landesregierung zu erhöhen, nicht nur die Bedingungen für einen Ausbau der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, sondern auch für einen sozial- und umweltverträglichen Transport des erzeugten Stroms zu schaffen.


Weiter zur Begründung
Beschluss und Begründung als Word-Datei: Beschluss-Hochspannung-tieflegen_100805





Begründung zum Beschluss vom 5. August 2010

6 08 2010

Begründung zum Beschluss:

  1. Neue Hochspannungsleitungen (110 kV-Leitungen) werden nicht gebaut, um die Strom­ver­sorgung der jeweiligen Region zu sichern, sondern dienen allein dem Stromexport aus der Region. Der Landkreis Prignitz z.B. produziert gegenwärtig 67 % mehr Strom aus erneuerbaren Energien als er selbst an Strom verbraucht. Sein Stromüberschuss wird durch Zubau von Wind- und Photovoltaikanlagen bei gleichzeitigen weiteren Einwohnerverlusten noch ganz erheblich zunehmen. E.ON edis z.B. rechnet für den Einzugsbereich der geplanten ‘Prignitzleitung’ mit einer Verzweieinhalbfachung der heutigen Stromerzeugungsleistung.
  2. Insbesondere die Windkraftanlagen, deren Strom durch neue Leitungen abzuführen ist, bedeuten eine erhebliche technische Überfremdung der Landschaft. Diese bringt bedeutsame Verluste hinsichtlich des Wohn-, Freizeit- und touristischen Werts der betroffenen Gebiete mit sich. Diese werden durch ökonomische Gewinne seitens der Gemeinden auch nicht annähernd aufgewogen. E.ON edis rechnet für den Einzugsbereich der ‚Prig­nitz­leitung’ mit einer zusätzlichen Leistung aus erneuerbaren Energien von 425 MW. Das bedeutet, umgerechnet in Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 2 MW, über 200 zusätzliche Anlagen. Oder etwas weniger neue Anlagen, dafür aber eine Erhöhung bestehender z.B. von 100 auf 150 m Rotorspitzenhöhe. Die technische Überfremdung der Region würde damit noch massiv verstärkt.
  3. Den solcherart stark belasteten Regionen wird nun aufgebürdet, zusätzlich zu den Wind­kraft­anlagen, die naturgemäß nicht unter die Erde gebaut werden können, auch neue Hochspannungsfreileitungen hinzunehmen, die die Region völlig überflüssigerweise zusätzlich belasten. Nach dem Motto: wer A sagt, muss auch B sagen, ungeachtet dessen, ob C nicht die wesentlich bessere Lösung wäre. Weder die Energiekonzepte des Bundes noch die des Landes Brandenburg enthalten eine Teilkonzeption für eine sozial- und umweltverträgliche Abführung des Stroms aus Erneuerbaren Energien in die Hochspannungsnetze, machen sich also über C keine Gedanken. Die ‚Energiestrategie 2020 des Landes Brandenburg’ „folgt dem energiepolitischen Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit sowie Umwelt- und Klimaverträglichkeit“ (S. 3 und 31), aber Sozial- und Demokratieverträglichkeit, die das Dreieck zum Viereck machen würde, kommt in der Energiestrategie nicht vor.

Die beiden vorigen brandenburgischen Regierungsfraktionen erklärten sich gegen Ende der Legislaturperiode für die Ermöglichung von Erdverkabelungen nicht zuständig und lehnten eine Befassung mit dem Thema ab. Die damalige Oppositionspartei, die beantragt hatte, ein Brandenburgisches Erdkabelgesetz zu beschließen, stellt heute den für diese Belange federführenden Wirtschaftsminister.

Das im Mai 2009 im Bundestag beschlossene Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) zementierte faktisch die Ausführung neu gebauter Hochspannungsleitungen als Freileitungen, indem dem Netzbetreiber überlassen bleibt, ob er mit seiner Leitung über oder unter die Erde will. Sollte er – ganz gegen die bisherige Praxis – tatsächlich eine Erdverkabelung wollen, muss er nachweisen, dass diese hinsichtlich Bau und Betrieb nicht mehr als das 1,6fache einer Freileitung kosten würde. Diese doppelte Hürde – Erdverkabelungswille und Mehrkostenfaktor nicht über 1,6 – ist in Deutschland bisher noch nicht genommen worden.

  1. E.ON edis hat sich im Sommer 2009 mit Vertretern der beiden Landratsämter Prignitz und Ostprignitz-Ruppin, dreier von der ‚Prignitzleitung’ betroffener Gemeinden und der Bürgerinitiative darauf verständigt, einen Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen einer Freileitung und einer Erdverkabelung für die geplante Trasse durchführen zu lassen, um die Frage zu klären, ob die Mehrkosten einer Erdverkabelung innerhalb des gesetzlich zulässigen Mehrkostenfaktors von 1,6 bleiben würden. Durch die Professoren Oswald und Hofmann von der TU Hannover wurde ein Mehrkostenfaktor von 1,93 ermittelt, 20 % mehr, als das EnLAG für eine Erdverkabelung zulässt.

Die Tiefbaubedingungen entlang der geplanten Trasse dürften nahezu optimal für ein solches Vorhaben sein. Es gibt keinen felsigen Untergrund, keine zu querenden Moore, Seen, Flüsse, Autobahnen und, bis auf ein Stück Stadtdurchquerung, das laut Landesplanerischer Beurteilung ohnehin erdverkabelt werden soll, keine zu querende Siedlung. Das bedeutet, dass der Bundesgesetzgeber die Hürde für eine Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen so bemessen hat, dass sie entweder nicht überwindbar ist, oder dass sie in von den Netzbetreibern in Auftrag gegebenen Gutachten ohne den Anschein eklatanter Fehlrechnungen als nicht überwindbar ermittelt werden kann. Angesichts der Bindung einer Erdverkabelung an den Willen der Netzbetreiber läuft Beides im Endeffekt auf dasselbe hinaus.

E.ON edis hat freundlicherweise das Gutachten mit dem Wirtschaftlichkeitsvergleich ihren lokalpolitischen Gesprächspartnern aus Prignitz/Ostprignitz zur Verfügung gestellt, ihnen sehr bedauerlicherweise aber unter Verweis auf darin enthaltene Betriebsgeheimnisse nicht gestattet, daraus außer dem Faktor 1,93 Informationen an Dritte zu geben. Das bedeutet, dass die Region nicht in der Lage ist, unter Zuhilfenahme von Fachleuten zu prüfen, ob nicht die Verkabelungskosten zu hoch und/oder die Freileitungskosten zu niedrig angesetzt wurden.

Wurden zusammen mit der Kabelindustrie die optimalen Kabel-Querschnitte ermittelt? Wurden die aktuellen Kupfer- und Aluminiumpreise herangezogen? Wurde berücksichtigt, dass ein Auftrag für 60 km Kabel pro km sicher kostengünstiger ist als der für kürzere Strecken? Wurde berücksichtigt, dass bei zunehmender Verkabelungspraxis auch die Kabelpreise sinken? Wurde berücksichtigt, dass die Tiefbaukosten in den neuen Bundesländern ganz wesentlich niedriger sind als die im Umland von Hannover?

Wenn die Verkabelungskosten, die zum größten Teil aus Kabel- und Tiefbaukosten bestehen, um 13 % niedriger und die Freileitungskosten um 5 % höher kalkuliert worden wären, wäre man bereits unter den Mehrkostenfaktor von 1,6 gekommen. Das zeigt, dass es zuhöchst undemokratisch ist, die für eine Region hoch bedeutsame Frage der Art der Nutzung ihrer Landschaft über 60 km hin ganz dem Gutdünken eines Netzbetreibers zu überlassen. Die Region könnte für etliche zigtausend Euro ein Gegengutachten erstellen lassen, das sicher zu einem Mehrkostenfaktor von unter 1,6 kommen würde, aber es würde ihr nichts nützen, da die Bundesnetzagentur nach öffentlich gegebener Antwort ihres Präsidenten auf eine entsprechende Frage der Bürgerinitiative nur die Gutachten der Netzbetreiber anerkennt.

  1. Die Bürgerinitiative ‚Hochspannung tief legen’ arbeitet im Steuerkreis des ‚Forums Netzintegration Erneuerbarer Energien’ mit, das von der Deutschen Umwelthilfe veranstaltet und vom Bundesumweltministerium unterstützt wird. Das Forum erstellt in zahlreichen Arbeitssitzungen und breiter Diskussion einen sogenannten „Plan N“, der möglichst in diesem Herbst fertiggestellt sein soll. In ihm werden umfassende konkrete Vorschläge formuliert, um Wege aufzuzeigen, den Strom aus Erneuerbaren Energien schnell und zugleich sozial- und umweltverträglich in die bestehenden, zu ertüchtigenden wie neu zu bauenden Netze und Netzteile zu integrieren. Im Forum Netzintegration sind u.a. Bundes- und Landesbehörden, Netzbetreiber, Umweltverbände und auch einige Bürgerinitiativen vertreten. Der strittigste Punkt ist gegenwärtig die Frage einer Erdverkabelung neuer Hochspannungs­lei­tungen, obwohl sich offenbar alle Seiten in der Prognose einig sind, dass 110 kV-Leitungen in absehbarer Zeit grundsätzlich erdverkabelt werden. Dies ist in großen Städten, und in Dänemark auch in der Fläche, bereits der Fall. Doch wird der Plan N nur eine – wenn auch wegen der Mitwirkung nahezu aller am Netzausbau beteiligten Institutionen und Gruppen ge­wichtige und hoch angebundene – Bera­tungsfunktion haben.

Unmittelbarere Hoffnungen auf die wesentliche Erleichterung einer Erdverkabelung neuer Hochspannungsleitungen lassen sich an das Energiekonzept der Bundesregierung knüpfen, das für den Herbst avisiert ist, und das zur Beschleunigung des Netzausbaus auf der 110 kV-Ebene entsprechende Maßgaben enthalten könnte.

Einen wichtigen Hinweis darauf, dass die Frage auch auf Landesebene angegangen werden kann, gibt eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages mit dem Titel „Gesetzgebungskompetenz für das Energieleitungsausbaugesetz“, abgeschlossen am 11.1.2010.1 In dieser wird als rechtlich zweifelhaft erklärt, dass der Bund und nicht die Länder die Bedingungen bestimmen, unter denen Leitungen als Freileitung oder als Erdkabel ausgeführt werden dürfen.2 Wenn dies bereits für die dort behandelte 380 kV-Ebene gilt, so folgern wir, müsste das erst recht, und nicht nur für Teilverkabelungen, für die 110 kV-Ebene gelten, deren Leitungen im Wesentlichen nicht bundesländerübergreifend, technisch problemlos und ökonomisch ganz wesentlich günstiger sind als Leitungen der 380 kV-Ebene.

  1. Kommunalpolitiker der Region und die Bürgerinitiative haben nunmehr alle Möglichkeiten von Appellen an Landesregierung und Bundestagfraktionen, hinsichtlich eines Zusammenwirkens mit E.ON edis und einer Mitwirkung beim Forum Netzintegration  ausgeschöpft. Nun steht trotz allem das Planfeststellungsverfahren für den Bau einer Hochspannungsfreileitung ins Haus, an dessen Ende nach geltender Gesetzeslage und –praxis keine von der Region geforderte durchgehende Erdkabelleitung stehen kann. Die Erfahrung mit den äußerst langwierigen Verhandlungen beim Gesetzgebungsverfahren zum EnLAG lässt es als sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass Änderungen von Gesetzgebung und Genehmigungspraxis so rechtzeitig kommen, dass die ‚Prignitzleitung’ noch als Erdkabelleitung realisiert werden kann. So sehen wir den eingangs vorgetragenen Beschluss als einzige verbleibende Möglichkeit, die Dringlichkeit unseres Anliegens mit hinreichendem Nachdruck vorzutragen und, insbesondere wenn andere Regionen sich anschließen, die grundsätzliche Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen forciert voranzubringen.

1 Verfasser: Regierungsdirektor Harald Georgii vom WD 3: Verfassung und Verwaltung.

2 „Die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen ins Detail gehenden Regelung zu der Zulässigkeit von Teilverkabelung ist aufgrund des im Gesetzgebungsverfahrens erfolgten Sachvortrags zweifelhaft. Ob ein weiterer Sachvortrag, insbesondere weitere technische Darlegungen, eine andere Sichtweise rechtfertigen, muss dahingestellt bleiben.“


Adressaten dieses Beschlusses:

Bundeswirtschaftsminister

Bundesumweltminister

Landeswirtschaftsminister Brandenburg

Landesumweltministerin Brandenburg

Die Fraktionsvorsitzenden des Bundestags

Die Fraktionsvorsitzenden des Brandenburgischen Landtags

Die Bundestagsabgeordneten aus den Kreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin

Die Landtagsabgeordneten aus den Kreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin

Die Kreistage, Städte und Gemeinden der Kreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin

Die Kreistage, Städte und Gemeinden Brandenburgs.

Beschluss und Begründung als Word-Datei: Beschluss-Hochspannung-tieflegen_100805





Bislang keine Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums

5 10 2008

Das von der Staatskanzlei am 11. August angekündigte Antwortschreiben des Wirtschaftsministeriums auf unser Schreiben vom 23. Juli ist trotz Erinnerungsschreiben an die Staatskanzlei vom 17.9. immer noch nicht eingetroffen.