Bundesregierung: Neue Hochspannungsleitungen unter die Erde!

16 06 2011

Es reicht nicht aus, Energie nur sozial- und umweltverträglich zu erzeugen, sie muss auch sozial- und umweltverträglich transportiert werden. So argumentierten in den letzten Jahren immer drängender Bürger, Bürgerinitiativen und Politiker aus Regionen, in denen zur Abführung des Windstroms neue Hochspannungsfreileitungen (110 kV) geplant wurden. Und forderten, diese grundsätzlich unter die Erde zu legen.

Klare Regelungen

Neue Hochspannungsleitungen unter die Erde – diese Forderung findet sich nun auch im Entwurf der Bundesregierung zu einem „Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze“. In dessen Vorblatt heißt es: „Neue Leitungen der Spannungsebene 110 Kilovolt und darunter sollen zukünftig in der Regel als Erdkabel gebaut werden.“ Bedingung: die Kosten für Bau und Betrieb dürfen das 2,75fache einer vergleichbaren Freileitung nicht überschreiten. Für die in der Prignitz geplante Leitung Perleberg–Kyritz–Wittstock kam ein vom Netzbetreiber in Auftrag gegebenes Gutachten auf einen Mehrkostenfaktor von 1,93. Daher ist damit zu rechnen, dass außer der Prignitzleitung auch die geplanten 110-kV-Leitungen in Märkisch-Oderland, Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming – insgesamt 210 km – weit unter dem Faktor 2,75 bleiben. Entsprechend wären sie erdzuverkabeln, wenn das Gesetz in dieser Fassung in Kraft tritt.

Breite Unterstützung in der Region

Die Bürgerinitiativen ‚Hochspannung tief legen‘ in der Prignitz und ‚Keine Freileitung Neuenhagen–Letschin‘ in Märkisch-Oderland sehen mit diesem Gesetzentwurf das Ziel ihrer Arbeit in greifbare Nähe gerückt. Und betonen, dass sie mit ihrer Forderung nach Erdverkabelung in ihren Regionen nicht allein dastehen, was die hohe Beteiligung bei ihren Unterschriftensammlungen bewiesen haben. In West- und Ostprignitz forderten in einer Resolution bereits 2009 zahlreiche politische Entscheidungsträger eine gesetzliche Regelung für eine grundsätzliche Erdverkabelung von 110-kV-Leitungen. Getragen wurde sie vom Landrat, den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden, Vertretern beider Kreisbauernverbände, von Tourismusvereinen, nahezu allen Parteien und drei Superintendenten der evangelischen Kirche. Der Kreistag und mehrere Gemeindevertretungen schlossen sich an.

Bürgerengagement auf Bundesebene

Die Aktivitäten beschränkten sich nicht auf die eigene Region: Brandenburger Bürgerinitiativenvertreter arbeiteten mit im ‚Forum Netzintegration Erneuerbare Energien‘ der Deutschen Umwelthilfe. Hier saßen sie u.a. mit den Netzbetreibern in langwierigen und zähen Verhandlungen bei der Formulierung des ‚Plans N‘ zum schnellen, sozial- und umweltverträglichen Netzausbau an einem Tisch und brachten sich auch in der Informations- und Dialogoffensive „Netzausbau für eine umweltschonende Energieversorgung“ von Bundeswirtschafts- und -um¬weltministerium ein.

Bewährte Technik

Für die Bürgerinitiativen ist die Erdverkabelung die alleinige zukunftsfähige Technik. Die Netzbetreiber hatten im Forum Netzintegration als Voraussetzung für Erdverkabelung klare Regelungen des Bundesgesetzgebers gefordert. Die liegen nun vor und sollten genutzt werden, diese – bundesweit auf 6.000 km bereits bewährte – Technik einzusetzen, weiterzuentwickeln und so auch immer kostengünstiger zu machen.

6 Cent im Monat

Die Mehrkosten, die auf den Endverbraucher durch eine Erdverkabelung von 110-kV-Hochspannungsleitungen zukommen, sind äußerst gering. Das geht aus der Begründung zum vorgelegten Gesetzentwurf hervor. Legt man die dort genannten Zahlen zur Netzentgeltsteigerung durch Erdverkabelung zugrunde, dann ergäbe sich für die aktuell geplanten 210 km in der Region pro Durchschnittshaushalt eine Erhöhung der Stromrechnung von 6 Cent im Monat. Damit würden dem Land 700 neue Strommasten, weitere Beeinträchtigungen der brandenburgischen Landschaft, beträchtliche Minderungen des Wohn-, Erholungs- und touristischen Werts der betroffenen Regionen und zahllose Vogeltode erspart.

Landesregierung ist gefordert

Im April dieses Jahres beschloss der Landtag in Potsdam die Forderung an den Bundesgesetzgeber, die Hindernisse für eine Erdverkabelung von 110-kV-Leitungen abzubauen und mehr als die gegenwärtig geltenden 60 % Mehrkosten von Erdkabeln gegenüber Freileitungen anzuerkennen. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sieht genau dieses vor. Die Bürgerinitiativen erwarten entsprechend von der brandenburgischen Landesregierung, dass sie dem Gesetz im Bundesrat zustimmt.