Experten: Brandenburg kann Erdverkabelung vorschreiben
Seit rund drei Jahren wehren sich Nordwesten und Nordosten Brandenburgs gegen den Bau zweier geplanter Freileitungen: In West- und Ostprignitz gegen 60 km Hochspannungsleitung (110 kV), in Uckermark und Barnim gegen 115 km Höchstspannungsleitung (380 kV). Sie wollen sie komplett (Prignitz) oder teilweise (Uckermark/Barnim) erdverkabelt haben. In der Zwischenzeit sind geplante neue Freileitungen in den Kreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Märkisch-Oderland hinzugekommen. Auch dort fordern Bürger, Kommunen und Landkreise Erdverkabelung. Allein die bereits fest geplanten Hochspannungsleitungen addieren sich zu 310 km, das ist das Eineinhalbfache der Nord-Süd-Ausdehnung des Landes Brandenburg. Die BTU Cottbus hält noch hunderte weitere Kilometer für erforderlich, um den in Brandenburg produzierten Strom abzuführen.
Zu dem vor diesem Hintergrund von Grünen- und FDP-Fraktion im Landtag eingebrachten Entwurf eines Brandenburgischen Erdkabelgesetzes fand am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss eine Expertenanhörung statt. Zu den zwölf dazu Geladenen gehörten Juristen, Leitungsbaufachleute, Netzbetreiber und zwei Vertreter von Bürgerinitiativen: einer aus der Uckermark für die 380- und Rainer Schneewolf aus der Prignitz für die 110-kV-Ebene.
Dieser zeigte auf, dass in Brandenburg gerade solche Regionen von neuen Freileitungen durchzogen werden sollen, die ohnehin durch Windparks und andere Großanlagen der Erneuerbaren Energien belastet sind und noch mehr belastet werden, und die auf die Wahrung ihrer Lebensqualität wie auf Zuzug dringend angewiesen seien. Es würde nicht ausreichen, nur kurze Strecken in hochrangigen Schutzgebieten erdzuverkabeln, was jetzt schon möglich sei. Gegenüber Hochspannungsfreileitungen müsse ganz Brandenburg zum hochrangigen Schutzgebiet werden. Das immer wieder angeführte Argument hoher Erdverkabelungskosten wäre aus Sicht des Endverbrauchers gegenstandslos: Kombiniere man Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums mit Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, ließe sich für 1.000 km Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen eine Erhöhung der Jahresstromrechnung für einen durchschnittlichen Haushalt um ganze 20 Cent errechnen. Zu einer sehr ähnlichen Schätzung der Endverbraucherkosten kam Dr. Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe.
Wertvollen Rückenwind bekam die Forderung nach grundsätzlicher Erdverkabelung neuer Hochspannungsleitungen durch die Expertise zweier Juristen: des Rechtsanwalts Philipp Heinz aus Berlin und des Jura-Professors Martin Schulte von der TU Dresden. Nach beider Aussage liegt es in der Kompetenz eines jeden Bundeslandes, für die 110-kV-Ebene ein Erdkabelgesetz zu verabschieden, das, wie der Entwurf für Brandenburg, vorschreibt, neue Leitungen als Erdkabel zu errichten, sofern nicht zwingende Gründe im Einzelfall dagegen sprechen.
Da aber unsicher ist, ob der Landtag ein entsprechendes Gesetz so zügig verabschiedet, dass es für die von E.ON edis geplante Prignitzleitung Perleberg – Kyritz – Wittstock bereits angewandt werden kann, forderte Schneewolf, mit der Erdverkabelung umgehend zu beginnen und die Prignitzleitung als Erdkabel-Referenzprojekt zu bauen. Eine Erdverkabelung im ländlichen Raum und über eine solche Strecke habe es in Deutschland noch nicht gegeben, obwohl es – und ein Netzbetreiber bestätigte dies sogar in der Anhörung – technisch problemlos sei. Daher müsse man einfach mal konkret anfangen. Dann werde sich zeigen, auf welche Akzeptanz eine Erdverkabelung stoße, welche Kosten tatsächlich entstünden, welche Techniken sich noch verbessern ließen und wie die Beteiligung der Bevölkerung weiter verbessert werden könne. Das würde nicht nur der Region und dem Land Brandenburg nützen, sondern für ganz Deutschland einen wichtigen Erkenntnisgewinn zugunsten einer umwelt- und sozialverträglichen, zukunftsfähigen Netzintegration Erneuerbarer Energien liefern.
11.2.2011 – Rainer Schneewolf – BI Hochspannung tief legen
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